Mittwoch, 8. November 2017

Buch: Columna Traiani / Trajanssäule (Tyche Sonderband 9)

"Eigenlob stinkt", sagt man. Freilich, dabei handelt es sich um eine eher moderne Sichtweise. In der Antike hingegen gehörte es durchaus zum guten Ton, die eigenen Leistungen unablässig hinauszuposaunen - zumindest wenn man dem Establishment angehörte oder gar als Monarch an der Spitze des Staates stand. Ein beredtes Zeugnis davon liefert die Trajanssäule in Rom. Sie wurde im Jahr 113 n. Chr. eingeweiht und verherrlicht auf einem spiralförmigen, sich um den Säulenschaft windenden Relief den erfolgreichen zweiten Dakien-Feldzug des römischen Kaisers Marcus Ulpius Traianus.

Als sich 2013 die Einweihung des Monuments zum 1900 mal jährte, kam in Wien eine Gruppe von Fachleuten zusammen, deren Tagungsbeiträge nun im Sonderband 9 der Fachzeitschrift Tyche (Verlag Holzhausen) unter dem Titel Columna Traiani veröffentlicht wurden.
Auf über 400 Seiten widmen sich die Autoren unterschiedlichen Aspekten der Trajanssäule. Beispielsweise beschreibt und analysiert Karl Strobl Szene für Szene des Reliefs; vom Aufbruch des Kaisers in Italien, über die Schanzarbeiten während des Feldzuges bis hin zum Tod des feindlichen dakischen Herrschers Decebalus. Dabei wird auch auf die Bedeutung oft übersehener Details eingegangen: Was verrät uns beispielsweise die Marschrichtung der dargestellten Soldaten? Und warum fehlen bestimmte Episoden des Feldzuges?
Unterm Strich handelt es sich hier um einen sehr interessanter Beitrag. Bedauerlicherweise wurde aber darauf verzichtet, den einzelnen Schilderungen die entsprechenden Reliefszenen der Trajanssäule beizufügen. Zwar ist dies für das Verständnis der Ausführungen nicht zwingend erforderlich, doch hätte es deren Informationswert deutlich gesteigert. 

Ioan Piso geht in seinem Text der Frage nach, ob die Eroberung Dakiens überhaupt erforderlich war. Seine Antwort lautet: Ja. Allerdings spielte bloße Geldgier dabei keine übergeordnete Rolle, wie die marxistisch geprägte Geschichtsschreibung behauptet, sondern vielmehr standen militärstrategische Erwägungen im Vordergrund: Dakien war nämlich für Rom ein unzuverlässiger, theokratisch-fundamentalistisch geprägter Nachbar. Es dürfte, wie Ioan Piso erklärt, kein Zufall gewesen sein, dass nach dem Sieg Roms sämtliche Heiligtümer des Landes bis auf die Grundmauern geschliffen wurden; ein für Rom keineswegs typisches Vorgehen in eroberten Gebieten!

In einigen Beiträgen entfernen sich die Autoren mitunter relativ weit vom eigentlichen Thema. Etwa wenn hinsichtlich der Rezeptionsgeschichte darum geht, welchen künstlerischen Einfluss die Trajanssäule auf die ottonische Bernwardssäule in Hildesheim hatte. Mehr 'on-topic' und für mich ungleich interessanter war da schon der Text von Werner Eck, in dem dieser schildert, wie der ursprünglich nicht übermäßig herausragende Politiker Marcus Ulpius Traianus durch eine Art stillen Staatsstreich als Kaiser installiert wurde. Nach dem absehbaren Tod des 'guten' Übergangskaisers Nerva sollte nämlich nicht wieder jemand vom Schlage eines Domitian oder Nero auf dem Kaiserthron Platz nehmen. Und so nahm hier unverhofft das von der Geschichtsforschung sehr positiv bewertete Zeitalter der Adoptivkaiser seinen Ausgang.

13 der insgesamt 30 Beiträge sind fremdsprachig - und zwar überwiegend Englisch. Für eine hauptsächlich von deutschsprachigen Lesern bezogene Zeitschrift erscheint mir das eher suboptimal. Andererseits werden die meisten Interessierten zumindest der englischen Sprache ausreichend mächtig sein, um mit diesem Umstand keine gröberen Probleme zu haben.

Der relativ umfangreiche Bildteil am Ende des Buchs enthält viel Interessantes, wie z.B. die 3D-Rekonstruktion eines auf der Trajanssäule abgebildeten hölzernen Amphitheaters sowie eine ausgezeichnete grafische Übersicht, in der die einzelnen, auf der Säule abgebildeten Szenen-Felder kurz beschrieben werden. Eine volle fotografische Wiedergabe der Reliefs enthält das Buch allerdings nicht. Das ist, wie schon weiter oben geschrieben, zwar nicht tragisch, nichtsdestotrotz wäre es dem Thema angemessen gewesen, wenn man die entsprechenden Bilder lückenlos beigefügt hätte. So musste ich mir eben mit meinem Tablett-PC und den Abbildungen auf trajans-column.org behelfen ...


Fazit: Perfekt will mir die Umsetzung zwar nicht erscheinen, aber das Buch gibt bezüglich der Trajanssäule trotzdem einen aspektreichen Einblick in den aktuellen Forschungsstand. Der Kaufpreis beträgt eher happige 75 Euro...

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