Mittwoch, 24. April 2024

📖 Buchrezension und launige Generalabrechnung: "Der offizielle Baustellenführer" des Campus Galli (2024) 😆

Campus Galli 2024

Was ich von der in Meßkirch angesiedelten Kloster- bzw. Mittelalterbaustelle Campus Galli halte, dürfte hinlänglich bekannt sein. Nun ist kürzlich eine aktualisierte Ausgabe des Begleithefts zu dieser tragikomischen Dauerverhohnepiepelung des Steuerzahlers erschienen. "Der offizielle Baustellenführer" soll einen Eindruck vom aktuellen Stand der Dinge vermitteln. Nehmen wir den Autor sowie Campus-Galli-Geschäftsführer Hannes Napierala beim Wort und unterziehen wir einige seiner Aussagen exemplarisch einer Realitätsüberprüfung. 

Vor inzwischen mehr als 10 Jahren begann das ehrgeizige Projekt, den St. Galler Klosterplan als echte Mittelalterbaustelle zum Leben zu erwecken - zunächst mit nur einigen wenigen Handwerkern, auf einem noch dicht bewaldeten Gelände. Von den großen, mittelalterlichen Gebäuden, die einmal kommen sollten, war damals noch wenig zu erahnen.

Davon ist auch heute noch nichts zu erahnen, handelt es sich bei dieser sogenannten "Klosterstadt" doch um eine armselige Schmalspurvariante von dem, was im frühmittelalterlichen Klosterplan von St. Gallen enthalten ist. Wirklich große Bauten gibt es auf dem Gelände des Campus Galli bisher nicht (bestenfalls als "mittelgroß" anzusprechende). Vieles wird stattdessen eine oder mehrere Nummern kleiner gebaut. 
Im Klosterplan von St. Gallen, der kein wirklicher Bauplan, sondern eher eine schematische Darstellung ist, sind keine verlässlichen Maße zu finden. Außerdem fehlt die dritte Dimension - es ist also nicht klar ersichtlich, ob die rund 50 eingezeichneten Bauten mitunter über Stockwerke verfügen sollen. Nur in wenigen Ausnahmen wird dies erkennbar, etwa wenn, wie im Fall der Basilika, Wendeltreppen eingezeichnet sind oder in einer der spärlichen Beischriften ein einschlägiger Hinweis auftaucht. Da nun das Projekt Campus Galli über unzureichende Mittel verfügt, neigt man dort meiner Beobachtung nach dazu, derlei Interpretationsspielräume dahingehend auszunutzen, tendenziell bescheidenere Varianten der im St. Galler Klosterplan eingezeichneten Bauten zu errichten. Oder sie gleich ganz wegzulassen.

Doch über die Jahre ging es Schritt für Schritt voran. Wir konnten uns an neue Herausforderungen wagen, weitere Handwerker einstellen und den St. Galler Klosterplan immer mehr zum Leben erwecken.

Der ist ja lustig. Hat es doch erst im Vorjahr in den Medien geheißen, dass man aufgrund der desolaten Finanzlage des Projekts den Personalstand VERRINGERN musste. Die Schwäbische Zeitung schrieb im Juli: "Am höchsten seien die Personalkosten, so Finanzdezernent Peter Hotz. Durch Stellenabbau und Stundenreduzierung ohne Lohnausgleich wurden bereits fast fünf Vollzeitstellen eingespart, die wieder hochgefahren werden sollen, sobald die Besucherzahlen steigen und damit auch die Einnahmen." 
Das muss auch heute noch weitestgehend der Stand der Dinge sein, da jetzt am Saisonanfang noch gar nicht ersichtlich sein kann, wie sich die Besucherzahlen entwickeln werden.  

Getragen wird das Projekt vom gemeinnützigen Verein  "Karolingische Klosterstadt Meßkirch e. V.", der zugleich Arbeitgeber und Aufsichtsgremium ist. Daneben gibt es einen Förderverein, den "Freundeskreis Campus Galli e. V.". Jeder ist herzlich willkommen und eingeladen, diesem beizutreten, um das Projekt zu unterstützen.

Das gewählte Konstrukt wurde schon in der Frühphase des Projekts von Beobachtern als "merkwürdig", "obskur" und "windig" bezeichnet. Der als "gemeinnützig" deklarierte Trägerverein nimmt nicht nur keine neuen Mitglieder auf, sondern selbst die aktuellen Vorstandsmitglieder werden auf der Homepage des Projekts verschwiegen (möglicherweise ist es diesen Verantwortungsvermeidern nicht recht, allzu sehr mit einem Versagerprojekt assoziiert zu werden). Präsentiert wird der Öffentlichkeit lediglich der Vorsitzende Anton Oschwald. Die Gemeinde soll als Hauptsponsorin des Campus Galli außerdem einige parteinahe 'Sockenpuppen' in den Trägerverein gesetzt haben. Daneben gibt es noch den erwähnten "Freundeskreis", der eine Art Parallelverein darstellt und sich quasi als das Gesicht des Campus Galli präsentiert, aber keine nennenswerten Entscheidungsbefugnisse hat. Dieser "Freundeskreis wird traditionell von einem Parteipolitiker geleitet. Das Projekt ist aufgrund der vielfältigen Politiknähe daher nicht als privat einzustufen, sondern als ein klar staatlich kontrolliertes. Es ist deshalb kaum überraschend, dass der Campus Galli einerseits zwar finanziell aus dem letzten Loch pfeift, andererseits aber immer und immer wieder mit absurden Mengen an Steuergeld am Leben erhalten wird. Ein tatsächlich privater Verein würde nach über 11 Jahren des betriebswirtschaftlichen Dauerversagens wohl kaum weiterhin mit Staatsknete alimentiert werden. 

Zur Anwendung kommen auf Campus Galli die handwerklichen Methoden und die Materialien, die auch im 9. Jahrhundert in dieser Gegend zur Verfügung standen. Kompromisse werden nur gemacht, wenn sie unbedingt notwendig sind, d.h. wenn die Sicherheit unserer Mitarbeiter gefährdet wäre, wenn es nicht finanzierbar ist oder wenn es nicht mit heutigem Recht oder aktuellen Vorschriften vereinbar ist.

Man beachte besonders den Passus mit der Nichtfinanzierbarkeit. Das ist ein sich selbst ausgestellter und weidlich ausgenützter Freibrief, damit dieses Mittelalter-Kombinat abseits der Öffentlichkeit schweres Gerät einsetzen kann. So wurde z.B. ein Teich mittels Bagger ausgehoben, Bäume mit Motorsägen gefällt, massenhaft Steinmaterial mit Maschienen bearbeitet und in der zum Projekt gehörenden Landwirtschaft ein Traktor eingesetzt. Damit löst sich das Marketing-Alleinstellungsmerkmal, nämlich die behauptete authentisch-mittelalterliche Arbeitsweise, in Luft auf. Man könnte auch sagen: Die inkonsequent agierenden Projektbetreiber halten die Öffentlichkeit mit ihren vollmundigen Versprechen seit mehr als einem Jahrzehnt zum Narren. 

Neben dem Betrieb von "Campus Galli" als lebendiges Museum erhofft sich die archäologische Forschung Erkenntnisse aus der praktischen Anwendung und Umsetzung all dessen, was ansonsten nur in der Theorie erarbeitet werden kann. Diese Methode wird auch als Experimentelle Archäologie bezeichnet und stellt ebenfalls einen wichtigen Teil des Projekts dar.

Soso, ein wichtiger Teil des Projekts soll die Experimentelle Archäologie also sein. Ja und wo bleiben dann all die 'Papers' nach über 11 Jahren Laufzeit? Wo sind die zu erwartenden Berge an wissenschaftlichen Publikationen, mit denen man vielleicht jene Steuergeld-Millionen halbwegs rechtfertigen könnte, die bisher in den Campus Knalli geflossen sind? Antwort: Es gibt sie nicht! Die Betreiber tingeln stattdessen besonders gerne bei anderen Freilichtmuseen herum und schauen sich diverse Techniken dort ab. So etwa beim Burgbauprojekt Guédelon (Frankreich). Dergleichen ist natürlich keine ernsthafte Forschung, sondern vielmehr Recherche für die Museumspädagogik zuhause. Erforscht wird beim Campus Galli demnach primär die eigene Unwissenheit, die man dann zum allgemeinen Stand der Wissenschaft erklärt. Man könnte geradezu von einem Strohmannargument sprechen. Sie stellen selber einen Pappkammeraden auf, nur um diesen umhauen zu können.
Auch die Partnerschaft mit der Uni Tübingen hat keinen nennenswerten Mehrwert für die Forschung. Eher geht es dabei um 'Studentenbespaßung'. Aber der Campus Galli kann sich hier öffentlichkeitswirksam das Mäntelchen der Wissenschaftlichkeit umhängen. Der durchschnittliche Journalist, der dann darüber berichtet, ist nicht in der Lage, den ganzen Krempel qualitativ einschätzen. 

Die anfängliche Infrastruktur (Wege, Parkplatz) wurde von der Stadt Meßkirch übernommen, aus dem LEADER-Programm der EU gab es Zuschüsse. Aktuell wird von der Stadt Meßkirch noch ein Betriebskostenzuschuss beigesteuert. Auch der Landkreis Sigmaringen schießt im Bedarfsfall noch etwas zu. Die Höhe der benötigten Zuschüsse richtet sich nach dem jeweiligen Saisonergebnis. Mittelfristig soll das Projekt auf eigenen Beinen stehen und sich vorwiegend aus den Eintrittsgeldern finanzieren, damit die Abhängigkeit von öffentlichen Zuschüssen sinkt.

Nach immerhin schon 11 Jahren Dauerbezuschussung der drolligen Klosterbaustelle schwadroniert dieser Mensch davon, "mittelfristig" aus der Verlustzone kommen zu wollen. Dazu muss man wissen, dass seitens des Campus Galli Bauzeiten von 80, 100 und noch mehr Jahren genannt wurden. Do the math! 

Für die Stadt und das Umland trägt Campus Galli zur touristischen Regionalentwicklung bei. Seit der Eröffnung 2013 ist in den angrenzenden Gemeinden ein deutlicher Anstig an Übernachtungen zu verzeichnen.

Er hält diese Behauptung offensichtlich für so evident, dass er sie mit keinen harten Fakten belegt. Dazu wäre er freilich auch gar nicht in der Lage, weil die angeblich positiven Auswirkungen auf den Tourismus nie umfangreich und seriös evaluiert wurden. Vielmehr handelt es sich dabei u.a. um anekdotenhaftes Geplapper von Parteipolitikern und politiknahen Heinis, die z.T. selber in das Förderdickicht des Campus Galli verstrickt sind. Davon abgesehen ist die Aussage "ein deutlicher Anstieg" hochgradig schwammig. Das kann fast alles bedeuten, je nachdem wie man das Wort "deutlich" interpretiert. Und eine Korrelation/Scheinkorrelation ist ohnehin nicht mit einer Kausalität gleichzusetzen. Als ausgebildeter Wissenschaftler sollte Hannes Napierala das eigentlich wissen. 
Interessant ist aber in diesem Zusammenhang, dass sich Nachbargemeinden von Meßkirch trotz einschlägiger Begehren ausdrücklich weigern, den Campus Galli mitzufinanzieren. Offensichtlich sieht man keinen Nutzen darin. Will heißen, man ist zur Einschätzung gelangt, dass das Projekt eben keine signifikanten touristischen Auswirkungen in der Region entfaltet und Investitionen aus der eigenen Tasche daher nicht rechtfertigbar sind. 

Jahrelang begleitete auch der Verein Werkstättle e. V. die Arbeiten auf dem Gelände und bot eine Arbeitsgelegenheit für bis zu zwölf Langzeitarbeitslose. Diese Maßnahme musste Ende 2022 leider eingestellt werden.

Natürlich bedauert der Herr Geschäftsführer das, denn diese Arbeitskräfte sind ebenfalls mit Geld der autochthonen Zahlesel finanziert worden. Noch günstiger geht es für ihn und seinen eingetragenen Schnorrerverein nicht.

Ein reales Bauprojekt benötigt aber genau jene definitiven Entscheidungen, die im Spannungsfeld zwischen den technischen Möglichkeiten und der geistigen Welt des 9. Jahrhunderts einerseits, so- wie der Umsetzbarkeit und den Vorschriften des 21. Jahrhunderts andererseits zu suchen sind.

Genau darin liegt bei solchen Projekten der größte Hund begraben. Der überbürokratisierte Korinthenkacker-Staat macht es mit seinen unflexiblen Vorschriften unmöglich, zu einer halbwegs lückenlosen empirischen Erkenntniskette zu gelangen. Wenn man etwa moderne statische Sicherheitserwägungen bei einem Bau berücksichtigen muss, obwohl man von Originalbauwerken aus dem Mittelalter genau weiß, dass es auch anders geht (die stehen schließlich seit vielen Jahrhunderten!), dann kann am Ende fast immer nur schnöde Museumspädagogik herauskommen, aber keine konsequent durchgezogene Experimentalarchäologie, die wirklich umfangreiche Daten liefert. Bei Großprojekten wie dem Campus Galli bleibt daher viel wissenschaftliches Potential ungenützt liegen. Der Wert für die Forschung kann letztendlich nur marginal sein. So erschöpft sich dieser beim Campus Galli vor allem in Kleinkram wie dem Guss einer Glocke, irgendwelchen halbgaren Versuchen mit Töpfereiprodukten und dem Austesten verschiedener Mörtelmischungen. Zu letzterem 'Experiment' hat mir der ehemalige Leiter einer Dombauhütte freilich schmunzelnd erklärt, dass nichts, was er darüber von Campus-Galli-Mitarbeitern vor Ort gehört hat, für ihn neu war.  

Vom Konzept eines Rundwegs haben wir uns im Jahr 2019 verabschiedet. Die Besucher sind eingeladen, das Gelände selbst zu erkunden.

Schon beim Projektstart 2013 habe ich gesagt, dass der Rundweg eine Schnapsidee ist, u.a. weil dieser die Besucher zwingt, durch unbespieltes/langweiliges Gelände zu latschen. Es hat nur sechs Jahre gedauert, bis die Projektbetreiber ebenfalls zu dieser Erkenntnis gelangt sind ^^. Für eine dergestalt lange Leitung dürfte die berühmte "Entschleunigung" verantwortlich sein, auf die man beim Campus Galli immer so betont stolz ist. 

Die Mitarbeiter hatten sich schon früh für den Bau der Klosterplan-Scheune ausgesprochen, was sich gut mit den Erkenntnissen der Bauforschung deckt: Interessanterweise entstehen die Scheunen tatsächlich sehr häufig in einer frühen Bauphase - sie gehörten z. B. auch nach dem Dreißigjährigen Krieg vielerorts zu den ersten Gebäuden, die wieder aufgebaut wurden. Dies zeigt, wie wichtig zu allen Zeiten ein Lagerplatz für die Ernte war

Formell ist das richtig, aber im Kontext der Realität auf dem Campus Galli handelt es sich um irreführenden Schwachsinn hoch drei. Denn natürlich hätten die Mönche als erstes feste Wohngebäude errichtet, um sich im Winter nicht den Allerwertesten in Zelten oder zugigen Unterständen aus Reisig abfrieren zu müssen. Beim Campus Galli wurde hingegen nicht so vorgegangen, sondern man hat stattdessen Handwerkerbuden, eine Holzkirche und die besagte Scheune gebaut. Das kann man aus projektspezifischen Gründen so machen, aber dann sollte man nicht insinuieren, die Reihenfolge der errichteten Gebäude würde historischen Vorlagen entsprechen! 

Der Bau der Scheune wurde im Rahmen eines ELR-Projekts gefördert (Entwicklungsprogramm Ländlicher Raum). Dazu wurden von der LEADER-Aktionsgruppe Oberschwaben circa 300.000 Euro bereitgestellt.

Geradezu ein Schnäppchen für den Steuerzahler! Und es wird nicht das letzte sein, so viel kann man angesichts der beständig Roten Zahlen getrost prognostizieren.

Das verwendete Eisen ist zu großen Teilen Werkzeugstahl, der zwar modern (industriell) hergestellt ist, jedoch so ausgewählt wurde, dass er den Eigenschaften des unlegierten, mittelalterlichen Stahls möglichst nahekommt. Gleiches gilt für die Holzkohle, die ebenfalls zugekauft wird.

So werden halt an allen Ecken und Enden 'Kompromisse' eingegangen. Beim erwähnten Stahl ist es beispielsweise so, dass selbst relativ billige moderne Sorten jenen des Mittelalters haushoch überlegen sind. Man muss sich dazu nur diverse Untersuchungen an archäologischen Funden aus mittelalterlichem Stahl anschauen; selbst vermeintlich hochwertige Schwerter fallen immer wieder mit Einschlüssen (Schlacke) negativ auf, die bei größerer Belastung wie Sollbruchstellen wirken. Getrost kann man deshalb davon ausgehen, dass auch Werkzeug aus modernem, also homogener aufgebautem Stahl, langlebiger und robuster ist. 

Für die erste Phase unserer Bautätigkeit haben wir uns entschieden, die Beete des Kräutergartens mit Lesesteinen zu umranden, später werden diese evtl. durch Bohlen ersetzt, wie bereits im Zusammenhang mit dem Gemüsegarten beschrieben

Die bauen seit über 11 Jahren, aber immer noch will man sich in der ersten Phase des Projekts befinden! Dass die Beete des Kräutergartens laut mittelalterlichen Quellen (Walafried Strabo) mit dicken Brettern eingerahmt gehören, habe ich schon vor 9 (!) Jahren bemängelt. Aber diese trägen Kostgänger des Steuerzahlers haben bis jetzt nichts daran geändert, obwohl sie, wie das Zitat oben belegt, ganz genau wissen wie es richtig gemacht gehört. An diesem Beispiel sieht man freilich sehr gut, mit welcher wissenschaftlichen 'Sorgfalt' beim Campus Galli gearbeitet wird. Hauptverantwortlicher für diese Laissez-faire-Herangehensweise ist der überforderte Geschäftsführer Napierala. Ihm ist einfach zu viel wurscht.

Über die Holzkirche des Campus Galli behauptet er.

gebaut 2014-2017

Im Rahmen meiner Rezension der Chronik des Campus Galli machte ich im Jahr 2018 bereits auf folgenden Umstand aufmerksam:

Herr Heim schreibt dazu u.a., das Holzkirchlein des Campus Galli habe 2017 "gewissermaßen den letzten Schliff" erhalten.
Interessanterweise hieß es bereits in der Chronik des Vorjahres, dass die Kirche fertig sei (Zitat: "2016 konnte mit der Holzkirche das erste Bauwerk der karolingischen Klosterstadt fertiggestellt werden"). Außerdem wird auch jetzt noch, im Jahr 2018, laut Medienberichten an dem Bau herumgewerkelt. Im Angesicht dessen fühlt man sich hier an den Film "Und täglich grüßt das Murmeltier" erinnert.

Was ich mit diesem kleinen Beispiel verdeutlichen möchte: Man kann diesen Leute nichts glauben. Mal heißt es so, dann wieder so. Sie biegen sich die Dinge einfach nach Bedarfslage zurecht. Möchte man etwa wieder einmal Fördergelder abräumen oder sich in den Medien wichtig machen, um mehr Besucher anzulocken, dann verweist man großspurig auf vermeintliche Leistungen. So wurde deshalb ein Bau wie das kleine Holzkirchlein mehrfach als "fertig" deklariert, obwohl bei ehrlicher Betrachtung noch einige Arbeiten daran zu erledigen waren. Oder würde man etwa heute ein Wohnhaus als "fertig" bezeichnen, wenn z.B. noch der Fußboden fehlt?
Übrigens, was Herr Napierala im Abschnitt über die Holzkirche geflissentlich verschweigt: Das Dach ist viel zu steil und damit ahistorischer Unsinn. Ich habe das schon kritisiert, als die ersten Pläne veröffentlicht wurden. Es entsteht hier der starke Verdacht, dass man sich das gotische Dach der karolingischen Torhalle vom Kloster Lorsch zum Vorbild genommen hat. Auf Facebook wurde seitens des Campus Galli vor ein paar Jahren dann gegenüber einem anderen Kritiker die falsche Dachneigung tatsächlich eingeräumt. Sie würde auf mangelhafter Recherche beruhen. Warum aber verschweigt man den nicht gerade kleinen Fehler ausgerechnet im aktualisierten "Baustellenführer"? 

Die Glocke wurde im April 2018 endlich erfolgreich vor Ort gegossen, nachdem zwei Versuche in den Jahren 2015 und 2016 misslangen. Der Glockenguss fand in Kooperation mit dem erfahrenen Kunstgießer und Archäologen Dr. Bastian Asmus statt.

Wenn dieser Mann so erfahren und toll ist, wieso hat der die Glocke dann gleich zweimal versemmelt?
Und von wegen "endlich erfolgreich". Der Gießer selbst schreibt nämlich in einem Aufsatz über den Guss folgendes: 

Der Versuch zum Formen der Glocke hat sehr gut funktioniert, auch wenn während der Rekonstruktion ein Fehler passiert ist, der verhinderte, dass die Glocke eine Krone erhielt. Dieser Fehler war jedoch keiner der Rekonstruktion, sondern auf Unachtsamkeit zurückzuführen

Natürlich verschweigt Hannes Napierala seinen Lesern auch dieses Faktum. Zu peinlich wäre es, klar einzugestehen, dass auch der dritte Guss zumindest ein Teilmisserfolg war und eigentlich hätte wiederholt werden müssen. Stattdessen heißt es:

[...] Aufgrund ihrer Form wird dieser Glockentyp als "Bienenkorbglocke" bezeichnet. Derartige Glocken klingen noch nicht so voll und sauber wie die heute gebräuchlichen Glocken, deren Form sich seit dem 13. Jahrhundert kaum verändert hat.

Die Glocke des Campus Galli klingt wie ein verbeulter Blecheimer. Ob das wirklich zu 100 Prozent an der historisch vorgegebenen Form liegt? Oder nicht auch daran, dass das Ding vielleicht insgesamt schlecht gemacht wurde und deshalb kleine Risse oder von außen nicht sichtbare Einschlüsse aufweist?
Übrigens, meiner Erinnerug nach wurde die herstellungsspezifisch mit Graten überzogene Glocke - typisch mittelalterlich - mittels Winkelschleifer in ihre endgültige Form gebracht.

Nahe der Steinmetzkreuzung, dort, wo das Gelände nach drei Seiten hin langsam abfällt, wird in vielen Jahren die große Abteikirche des Klosterplans gebaut werden.

Man beachte: "In vielen Jahren" wollen sie überhaupt erst mit dem Bauen beginnen! Dass es sich bei dieser wolkigen Ankündigung um eine reine Luftnummer handelt, weiß dieser Prahlhans von einem Autor ganz genau. Er behauptet es trotzdem, wohl des Marketings wegen. Schließlich fußt das ganze Projekt Campus Galli in der öffentlichen Wahrnehmung auf der Idee, man würde ein richtig imposantes Großkloster errichtet, mit einer gewaltigen Kirche als Mittelpunkt. Dem potentiellen Besucher gibt man so das Gefühl, Zeuge von etwas ganz Großem zu sein. Das jedoch ist, wie die Realität nahelegt, völliger Bullshit. Die Anlage wird mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit selbst bei einer dauerhaften staatlichen Bezuschussung nie über die Ausmaße eines kleinen klösterlichen Filialbetriebs hinauskommen. Dazu fehlt einfach das Geld. Grund: Das Besucherinteresse ist zu gering und wird auch zu gering bleiben. Weil: Kloster = langweilig und "Campus" hört sich nach ödem Bildungsgedöns an. Eine Burg hätte man stattdessen errichten sollen. Oder eine karolingische Königspfalz. Und einen anderen Standort hätte man finden müssen, anstatt ins baden-württembergische Meßkirch zu gehen, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen. Aber für all das ist es jetzt zu spät. Man hat es quasi von Anfang an vergeigt. Trotzdem verharrt die Politik bei ihrer dem Prinzip Hoffnung folgenden Strategie der Bezuschussung: Stichwort "sunk cost fallacy". 

Hier entsteht seit Herbst 2021 das erste Steingebäude auf dem Campus Galli. Im St. Galler Klosterplan ist es das Nebengebäude des Abtshofs, der "von Zäunen rings umgeben" (im Klosterplan: Saepibus in gyrum ductis sic cingitur aula) ist. Der Abtshof besteht aus zwei Gebäuden, die mit einem gemeinsamen Innenhof einen abgeschlossenen Gebäudekomplex bilden. Das gröBere der beiden Gebäude wird erst später gebaut werden.

Als in den Medien immer und immer wieder davon die Rede war, es würde nun der Abtshof des Klosters errichtet, war das demnach schlicht gelogen. Vielmehr wird nur ein Nebengebäude davon realisiert (auch eine halbe Wahrheit kann bereits eine ganze Lüge sein). Wann und ob der Hauptbau errichtet wird, steht anscheinend völlig in den Sternen. Die Projektbetreiber wissen es wohl selber nicht so recht. Oder sie wissen es, trauen sich aber nicht Tacheles zu reden, weil eine lange Wartezeit ihr Versagen noch offenkundiger machen und das Besucherinteresse kaum fördern würde. Denn wie schon oben gesagt, die Illusion, es würde wirklich ein Großkloster errichtet, muss aus marketingstrategischen Gründen unbedingt aufrecht erhalten werden. Letztendlich ist der Campus Galli ein Würstchen, das sich als dicke Salami inszeniert.

Leinenstoff nimmt Farbe deutlich schlechter an als Wolle. Dies ist auch ein Grund, warum unsere normale Arbeitskleidung überwiegend ungefärbt bleibt.
Der um das Jahr 830 n. Chr. entstandene Stuttgarter Psalter zeigt die Menschen in sehr farbenprächtiger Kleidung. Ob Textilien im Frühmit- telalter tatsächlich entsprechend gefärbt waren oder ob die bunten Darstellungen stark übertrieben sind um das Buch attraktiver zu gestalten, ist nicht gesichert. Textilarchäologen gehen heute davon aus, dass das Färben von Kleidung für viele Menschen im Frühmittelalter keine große Rolle gespielt hat.

Was für ein Sammelsurium aus Halbwahrheiten, das dieser Kurzstreckendenker da unter Berufung auf irgendwelche namentlich nicht genannten "Textilarchäologen" zum Besten gibt! Ja, Leinenfasern nehmen Farbstoffe tendenziell weniger gut an und verlieren sie auch schneller wieder. Das hat die Bevölkerung im Frühmittelalter aber offenkundig nicht davon abgehalten, trotzdem einen Teil ihrer Leinenklamotten zu färben. Ich habe im Blogbeitrag zu meiner (ungefärbten) Thorsberghose einige Beispiele dafür genannt (wer will, findet noch jede Menge weitere!).  

  • Notker von St. Gallen (9./10. Jh.) erwähnt rote Leinenhosen, über die man im Bereich der Waden ebenfalls rot gefärbte Binden schlang (Mönch von St. Gallen: De Gestis Caroli Magni, I, 34)
  • Der Verstorbene im sogenannten Sänger- bzw. Leiergrab von Trossingen  (6. Jh.) trug eine hellgelb gefärbte Hose aus Leinen.

Es gibt demnach wesentlich bessere Quellen als die Buchmalereien im Stuttgarter Psalte. Ohnehin ist völlig klar, dass dieses Werk grundsätzlich keine perfekte Vorlage für gefärbte Textilien sein kann. Sind doch die oftmals besonders 'knalligen' Pigmente, die in der Buchmalerei verwendet wurden, mineralischer Natur und für Kleidung ungeeignet. Egal ob man Leinen oder Wolle färben möchte. 
Von all dem abgesehen kann ich aus eigener Erfahrung berichten, dass beispielsweise mit Walnussschalen gefärbtes Leinen die hellbraune Färbung seit vielen Jahren sehr gut behält. Außerdem habe ich festgestellt, dass sich schon etwas länger getragenes und dadurch weicher gewordenes Leinen besser färben lässt. Es wäre nun die Aufgabe des Campus Galli, genau so etwas experimentell zu erkunden. Aber stattdessen flüchtet man sich in pauschalisierende Ausreden.  


Fazit: Das vorliegende Büchlein ist voller Blabla, das einer kritischen Betrachtung nicht standhält. Die Bebilderung wiederum ist durchwachsen; teilweise findet man auf der Homepage des Projekts wesentlich bessere Motive. 
Sicher, dem Interessierten wird hier - im Gegensatz zur haarsträubenden ersten Ausgabe des Baustellenführers - ein leicht verständlicher Überblick hinsichtlich des Projekts Campus Galli geboten. Aber die ungeschminkte Wahrheit wird ihm vom Autor und Geschäftsführer Hannes Napierala (wenig überraschend) vorenthalten. Wer jedoch genau daran interessiert ist, der muss bei mir reinschauen 🙃.

Abschließender Hinweis: Weil ich hier vor allem das Projekt besprochen habe, aber weniger das Buch, verzichte ich diesmal auf die Bewertung mit Sternen. Ich werde allerdings noch bei Amazon eine angepasste Rezension hochladen.

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Samstag, 20. April 2024

🎧 Hörbares: Ovids "Metamorphosen" als Dauerbrenner -- Brutaler antiker Kriegsherr als Vorkämpfer für Toleranz -- Der faszinierende Frauenheld Giacomo Casanova -- usw.


 Ovids Metamorphosen - Verwandlungsgeschichten als Dauerbrenner | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Spektakulärer Knochen-Fund – Lebte einst ein 25 Meter langes Reptil im Ozean? | Spieldauer 25 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Elisabeth I. von England | Spieldauer 39 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Die Pippinische Schenkung | Spieldauer 48 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Das rätselhafte Petrusgrab im Petersdom | Spieldauer 43 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Toleranter Eroberer - Kyros der Große | Spieldauer 49 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download
Die öffentlich-schlechtlichen Rundfunker lieben das Wort "Toleranz". Bis zum Erbrechen hauen sie es dem Medienkonsumenten in den absurdesten Zusammenhängen um die Ohren. Stichwort "nudging". Google spuckt alleine für die Website ard.de über 8000 Treffer aus. Diese Pseudoschlauberger sind sich mittlerweile nicht einmal zu blöd, den Toleranzbegriff einem längst verblichenen Potentaten aus Persien umzuhängen, der aus Geltungsdrang mit Feuer und Schwert unzählige Völker in seine Gewalt gebracht hat. Es reicht schon aus, dass dieser große Menschenfreund dabei nicht alle dahingemetzelt hat, um ihn heute vor einen ideologischen Karren zu spannen. Eines kann man aber grundsätzlich festhalten: Sobald ein historischer Staatenlenker von Geschichtsschreibern mit dem Beinamen "der Große" bedacht wurde - siehe etwa auch Alexander der Große oder Karl der Große - dann kann man getrost davon ausgehen, dass es sich vor allem um einen großen Massenmörder gehandelt hat. 

 Empire - Ein Hauch von Napoleon | Spieldauer 23 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download

 Giacomo Casanova - Der faszinierende Frauenheld | Spieldauer 22 Minuten | BR | Stream & Info | Direkter Download
Erstaunlich, was die auf Wikipedia für ein Artikel-Ungetüm über Jakob Neuhauser geschrieben haben. Das Ding ist länger als der Artikel zu Caesar. Nur beim "Führer" haben sie sich ähnlich ins Zeug gelegt ^^. 


Donnerstag, 18. April 2024

📽️ Videos: Harte Diskussion zwischen Graham Hancock und dem Archäologen Flint Dibble über eine verlorene Zivilisation -- Sondengänger mit Expertise -- Archäologie studieren -- 100 Jahre Nofretete im Museum -- usw.


 Joe Rogan Experience #2136 - Graham Hancock & Flint Dibble | Spieldauer 266 Minuten | PowerfulJRE | Stream & Info
Joe Rogan ist der Gastgeber einer lange erwarteten, viereinhalb (!) Stunden langen Diskussion zwischen dem Archäologen Flint Dibble und dem Bestseller-Sachbuchautor Graham Hancock, der bekanntlich für manch Archäologen ein rotes Tuch darstellt. Thema ist vor allem Hancocks Theorie einer verlorenen Zivilisation, die durch einen globalen Kataklysmus ausgelöscht worden sein soll. Beide Seiten haben mal bessere, mal schlechtere Argumente. Phasenweise fliegen dabei ordentlich die Fetzen, etwa als es um einen Text von Flint Dibble geht, in dem er Graham Hancock quasi zum nützlichen Idioten sogenannter "White Supremacists" erklärt (dieser Text wurde im Übrigen auch von Archäologen im deutsche Sprachraum auf "X" herumgereicht, nachdem im Vorjahr Hancocks Doku-Reihe auf Netflix sich als ein riesiger Erfolg entpuppt hat). Aber die beiden Herren reißen sich dann doch wieder zusammen. Übrigens, Joe Rogans Sendungen erscheinen mittlerweile wieder in voller Länge auf Youtube, nachdem der Exklusiv-Vertrag mit Spotify ausgelaufen ist.


 Sondengänger mit Expertise | Spieldauer 8 Minuten | BR | Stream & Info 

 Spektakuläre Fresken in Pompeji ausgegraben | Spieldauer 1 Minute | Zeit Online | Stream & Info 

 Archäologie studieren - Eintauchen in die Antike | Spieldauer 13 Minuten | alpha | Stream & Info 
Die Fernsehheinis machen da ausgerechnet Werbung fürs Archäologiestudium, obwohl es, gemessen am Bedarf, längst viel zu viele Archäologen gibt. Die landen dann in völlig anderen Berufsfeldern, nachdem der Steuerzahler ihnen eine sauteure, nun aber sinnlose Spezialausbildung finanziert hat. Doch was will man von quasi staatlichen Rundfunkern anderes erwarten, die müssen sich ja nicht dem freien Markt stellen. Daher auch die verzerrte Weltsicht. Ich habe da freilich eine ganz andere Herangehensweise: 1. Studienplätze streng begrenzen, indem man sich am regelmäßig evaluierten Bedarf des Arbeitsmarktes orientiert. 2. Strenge Aufnahmeprüfungen für alle Fächer 3. Keine Studiengebühren mehr, die den Nachwuchs von oft unbegabten G'stopften bevorzugen. 

 Rom: Unterirdische Schätze | Spieldauer 2 Minuten | ZDF | Stream & Info

 100 Jahre Nofretete im Museum | Spieldauer 3 Minuten | ARD | Stream & Info 
Dass die Nofretete-Büste völlig rechtmäßig nach Deutschland verbracht wurde, muss nicht viel heißen. Es braucht zukünftig nur wieder einmal eine Außenministerin, die zwar einerseits dumm wie ein Sack voller Hufeisen ist, sich aber andererseits unbedingt profilieren möchte, und schwupps ist die Büste schon wieder in Ägypten. Viele Medien sticheln schon seit Jahren dahingehend, so auch im oben verlinkten Beitrag. Das ist wohl Teil des kollektiven Masochismus in diesen völlig ideologieverblödeten Kreisen.

 Wiedereröffnung: Archäologische Staatssammlung München | Spieldauer 1 Minute | BR | Stream & Info 
Diese Heuchler haben den Denkmalschutz in Bayern in den Graben gefahren. Was für  idealtypische 'Watschengsichter'.


Montag, 15. April 2024

Flavius Josephus über jüdische "Parallelgesellschaften" in der Antike und warum der israelische Nationalheld Simon bar Kochba als "Sohn eines Lügners" bezeichnet wurde


Sich mit Rom anzulegen (noch dazu auf dem Höhepunkt seiner Macht) war selten eine gute Idee. Besonders nicht für ein vergleichsweise kleines Völkchen. Doch wenn die Massen erst einmal religiösen Fanatikern und politischen Verführern* hinterherlaufen, dann gerät der gesunde Menschenverstand leicht ins Hintertreffen. Selbstüberschätzung gewinnt stattdessen die Oberhand. So war es für Zeitgenossen sicher keine Überraschung, dass etwa die beiden großen jüdischen Kriege im 1. und 2. Jahrhundert jeweils zu Ungunsten der in der Provinz Judäa lebenden Juden ausgingen - mit katastrophalen Auswirkungen. Es folgte nämlich die Vertreibung bzw. die Zerstreuung der jüdischen Bevölkerung in alle Windrichtungen. Doch völlig neu war diese Situation ("Diaspora") für das jüdische Volk nicht. So führten etwa - ebenfalls nach einem verlorenen Krieg - schon Jahrhunderte vorher die Babylonier die zwangsweise Umsiedlung eines Teils der Juden in Richtung Zweistromland durch. Bibel-Forscher meinen, dass es dieses sogenannte "Babylonische Exil" war, welches Autoren des Alten Testaments zu der Erzählung von der Befreiung der Juden aus der ägyptischen Sklaverei durch Moses inspirierte. Vergessen darf man hier auch nicht, dass die jüdischen Kernländer an der Levante lange Zeit von den Pharaonen Ägyptens beherrscht wurden. Auch das wird in die biblische 'Story' eingeflossen sein, so wie ja überhaupt die ägyptische Kultur großen Einfluss auf das im Entstehen begriffene Judentum hatte - siehe etwa die Beschneidung oder das Schweinefleischverbot. Die Moses-Story war also eine Mischung aus historischen Ereignissen und viel Fiktion. 

Der jüdisch-römische Geschichtsschreiber Flavius Josephus, der ursprünglich als Kriegsgefangener während des Jüdischen Kriegs im 1. Jahrhundert nach Rom gelangte, hat in seinem umfangreichen Werk "Jüdische Altertümer" auch die besagte 'Gefangenschaft' der Juden in Ägypten beschrieben. Obwohl es sich - wie schon gesagt - dabei in der Realität wohl eher um die ägyptische Fremdherrschaft auf jüdischem Boden gehandelt haben dürfte, die dann im Kontext der späteren babylonischen Umsiedlung zu einer Versklavung in Ägypten uminterpretiert wurde. Doch wie auch immer, die Schilderungen des Josephus spiegeln vermutlich eine interessante historische Tatsache wieder. Nämlich das Ringen um die Bewahrung der jüdischen Identität in einem Staat, der nicht der eigene ist. Das Mittel der Wahl war dabei eine Abgrenzung gegenüber den fremden Herren.

Als nun Joseph von seines Vaters Ankunft Kunde erhalten (Judas war nämlich vorausgeeilt, um ihm dieselbe zu melden), ging er ihm entgegen und traf ihn bei der Stadt der Heroën. Vor allzu großer Freude wäre da Jakob beinahe gestorben. Joseph aber erfrischte ihn wieder; obgleich auch er sich vor Freude kaum halten konnte, hatte sie ihn doch nicht so ergriffen wie den Vater. Dann hieß Joseph seinen Vater langsam nachkommen; er selbst aber eilte mit fünf seiner Brüder zum (ägyptischen) König und meldete ihm, dass Jakob mit seiner ganzen Familie angekommen sei. Dieser nahm die Nachricht freudig auf und erkundigte sich bei Joseph, welche Lebensweise sie vornehmlich führten, damit er ihnen zur Fortsetzung derselben behilflich sein könne. Joseph entgegnete, sie seien vortreffliche Hirten, außerdem aber verständen sie keinen anderen Beruf. So wollte er verhüten, dass sie voneinander getrennt würden. Sie sollten vielmehr zusammenwohnen und für den Vater sorgen und nicht zu viel Verkehr mit den Ägyptern pflegen, wie es geschehen wäre, wenn sie mit ihnen dieselbe Lebensweise geführt hätten. Denn den Ägyptern war es verboten, Herden zu weiden.
Flavius Josephus | Jüdische Altertümer 2,7,5 | Marix Verlag, 2018

Auch in der viel späteren jüdischen Diaspora war diese Abgrenzung ein Kernelement (obschon sich nicht einmal annähernd jeder Jude streng daran hielt). Gut möglich ist, dass man von entsprechenden Texten im Alten Testament - auf die ja auch Flavius Josephus in seinen oben zitierten "Jüdischen Altertümern" ausgiebig zurückgreift - inspiriert wurde.
Diese Abgrenzung war allerdings ein zweischneidiges Schwert. Zwar konnte man seine kulturelle Identität bewahren, doch gleichzeitig nahm einen die Mehrheitsbevölkerung als Fremdkörper wahr, was schlussendlich sogar Ablehnung hervorrief (wir kennen das heute auch noch, Stichwort "Parallelgesellschaften"). Dieser antijüdische Groll war im Übrigen kein rein christliches Phänomen, das erst virulent wurde, als das Christentum im Römischen Reich, also in großen Teilen der antiken Welt, zur Staatsreligion emporstieg. Vielmehr existierte er schon in der polytheistischen Phase Roms. Besonders deutlich wird das in einem Zitat, welches vom römischen Geschichtsschreiber Tacitus stammt. Er schreibt:

"Unheilig ist bei den Juden alles, was bei uns heilig ist, und erlaubt ist bei ihnen, was für uns unrein ist."
H.D. Stöver | Christenverfolgung im Römischen Reich | Econ Verlag, 1982

Ins selbe Horn stößt der antike Autor Philostratos:

"Die Juden sind uns in ihrem Wesen ferner als Susa, Baktra (beides in Persien) und die Inder. Denn sie teilen unser Leben nicht und teilen mit anderen Menschen weder Mahlzeiten noch Verträge, weder Gebete noch Opfer."
H.D. Stöver | Christenverfolgung im Römischen Reich | Econ Verlag, 1982

Die - zumindest so wahrgenommenen - monotheistische Eigenbrötelei der meisten Diaspora-Juden führte also zu einer ablehnenden Haltung durch die autochthone Bevölkerung. Extrawürste wie die Befreiung vom verbindenden Element des Kaiserkults (etwas, das man den Christen nicht zugestand), kamen bei manch Beobachter naturgemäß weniger gut an. Darüber hinaus ist sogar eine Befreiung vom Militärdienst überliefert.

Man muss auch die jüdischen "Ghettos" in den Städten des europäischen Mittelalters im Lichte der obigen Haltung weiter Teile der Diaspora-Juden sehen. Die räumliche Abgrenzen hatte nämlich eine lange Tradition; bereits in der Antike lebten ja Juden und andere Ethnien/Glaubensgemeinschaften oft in getrennten Stadtvierteln, wie etwa Alexandria bezeugt. Aber auch in Rom gab es jüdische Zusammenballungen, beispielsweise will der Jude Philo von Alexandria den Transtiber-Distrikt quasi in jüdischer Hand vorgefunden haben. 
Bei all dem handelte es sich entweder um selbst gewollte oder staatlich angeordnete Abgrenzungen. Oft war dergleichen ohnehin seitens aller Parteien erwünscht. Wenn auch das Ausmaß der Eingriffe durch die Obrigkeit im Laufe der Jahrhunderte von christlicher Seite zunehmend überschießend wurde. Das änderte sich in Europa erst deutlich im Zuge der Aufklärung, nachdem die Religion als zentrales Identifikationsmerkmal an Bedeutung verloren hatte. Und zwar für Juden und für Christen. In weiterer Folge überaus ungünstig für die europäischen/westlichen Juden war aber, dass ab dem späten 19. Jahrhundert auffällig viele von ihnen - vielleicht aufgrund historischer Erfahrungen - dem Marxismus zuneigten, nachdem sie der Religion den Rücken gekehrt hatten. Später zog der antimarxistisch eingestellte Nationalsozialismus daraus den pauschalisierenden Schluss Jude = Marxist/Kommunist und 'veredelte' diese Annahme mit rassistischen Elementen; stark vereinfacht ausgedrückt. Das Ende vom Lied ist jedenfalls bekannt. 


* Ergänzendes zur Einleitung: Der zentrale politische Verführer, welcher schlussendlich die nahezu totale Vertreibung der Juden aus Judäa zu verantworten hatte, war Simeon bar Kokeba / Simon bar Kochba. Interessanterweise wird dieser Mann von Politikern des modernen Staats Israel zu einem Helden hochstilisiert, obwohl sein Name lange Zeit in der jüdischen Tradition als "Bar Kozeba" verballhornt wurde, was so viel wie "Sohn des Lügners" bedeutet. Die abwertende Bezeichnung spielt, wie H.D. Stöver in seinem Buch Christenverfolgung im Römischen Reich schreibt, darauf an, dass Bar Kochba die Juden um ihre Hoffnungen betrog. Dieser vermeintliche Nationalheld soll es auch gewesen sein, der laut dem antiken christlichen Autor Justinius während seiner kurzen Herrschaft Zwangsbeschneidungen anordnete und sogar eine Christenverfolgung initiierte:

Davon kann euch die Tatsache überzeugen, daß in dem zu unseren Lebzeiten geführten Kriege Barchocheba, der Anführer des jüdischen Aufstandes, die Christen allein zu schrecklichen Martern verurteilt hat, wenn sie Jesus Christus nicht verleugneten und lästerten.
Justinus | Apologie 1,31 | in Christenverfolgung im Römischen Reich | Econ Verlag, 1982

Es darf wohl passenderweise mit dem jiddischen Begriff "Chuzpe" bezeichnet werden, wenn ausgerechnet ein Scharlatan, der sich selbst als eine Art Messias präsentiert, Menschen verfolgen lässt, weil sie dem Glauben an einen mutmaßlich falschen Messias anhängen... 

Dieses für das historische Verhältnis zwischen Christen und Juden sicher nicht ganz unwichtige Ereignis wird übrigens im entsprechenden Wikipedia-Artikel über Simon bar Kochba mit keiner Silbe erwähnt. Auch abseits von Wikipedia wird man nur selten etwas darüber finden. Der Leser mag seinen Verstand an der Frage schärfen, warum darüber so ungern geschrieben wird. 

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Sonntag, 14. April 2024

🎧 Hörbares: Großer Festsaal in Pompeji ausgegraben -- Die "Kriminalgeschichte des Christentums" -- Frühster Nachweis von Drogenkonsum in Europa -- Rituelle Menschenopfer in der Jungsteinzeit -- usw.


 Tolle Entdeckung: Großer Festsaal in Pompeji ausgegraben | Spieldauer 5 Minuten | WDR | Stream & Info | Direkter Download

 Neue Erkenntnisse aus der Asche von Pompeji | Spieldauer 8 Minuten | SRF | Stream & Info 

 Vor 275 Jahren begann die Ausgrabung von Pompeji | Spieldauer 5 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Karlheinz Deschner: Die "Kriminalgeschichte des Christentums" | Spieldauer 14 Minuten | WDR | Direkter Download
Zitat: "Karlheinz Deschner ist nicht nur ein Schriftsteller, sondern auch ein Aktivist, der sich vehement für die Trennung von Kirche und Staat einsetzt und sich gegen religiöse Einflüsse auf die Politik ausspricht." Derweil wirken gerade in Deutschland Kirchentage zunehmend wie Parteitage, wenn man sich die Redner und Reden antut. Kein Wunder, dass den Hirten des Herren in Massen die Zahlesel davonlaufen. Irgendwann werden sich die Kirchen dann wohl staatlich finanzieren lassen, so wie jetzt schon die Dinosaurier-Medien. Die richtige Gesinnung, die die Kirchen dafür qualifiziert, haben sie ja längst. 

 Archäologie: Rituelle Menschenopfer in der Jungsteinzeit | Spieldauer 4 Minuten | DF | Stream & Info 

 Archäologischer Fund - Menschen hatten früher vielleicht Füchse als Haustiere | Spieldauer 5 Minuten | DF | Stream & Info 
Wundert mich nicht, auf Youtube habe ich im Laufe der Jahre haufenweise Videos von zutraulichen Füchsen gesehen, die zum Teil bei Menschen leben. 

 Archäologiefilm „Die Ausgrabung“ bei Netflix | Spieldauer 5 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download
Ach du meine Güte, hört sich das deprimierend an. Ein Film, den ich mir trotz des eigentlich interessanten Themas "Sutton Hoo" sicher nicht anschauen werde. Aber bestimmt toll für all jene, die sich Depressionen anzüchten wollen ^^. Apropos "Sutton Hoo": Die auf Youtube abrufbare Archäologieserie "Time Team" wird genau dort demnächst eine Ausgrabung durchführen. Das werde ich mir, im Gegensatz zu diesem Film, sicher reinziehen.

 Frühster Nachweis von Drogenkonsum in Europa führt nach Menorca | Spieldauer 4 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download

 Kochendes Wasser, schwimmende Steine: Historischer Vulkanausbruch bei Santorin | Spieldauer 7 Minuten | DF | Stream & Info | Direkter Download


Freitag, 12. April 2024

📽️ Videos: Editha, Begräbnis einer ottonischen Königin -- The colossal statues of Imperial Rome -- Leben in der Steinzeit -- Denkmalschutz im Unterricht -- usw.


 Editha – Begräbnis einer ottonischen Königin aus England | Spieldauer 44 Minuten | Landesmuseum für Vorgeschichte Halle | Stream & Info 
Die eingangs und am Schluss gezeigte Veranstaltung kann man eigentlich nur als skurril bezeichnen. Übertroffen höchstens vom Begräbnis Richards III. vor einigen Jahren. 


 The colossal statues of Imperial Rome | Spieldauer 10 Minuten | Darius Arya Digs | Stream & Info 



 Ausgrabungen in Israel: 'Ubeidiya National Park in the Jordan Valley Opens to the Public | Spieldauer 2 Minuten | Israel Antiquities Authority Official Channel  | Stream & Info 

 Ausgrabung in Israel: A rare 6,000-year-old elephant ivory vessel was discovered | Spieldauer 1 Minuten | Israel Antiquities Authority Official Channel | Stream & Info

 Archäologen legen in Pompeji Bankettsaal mit prächtigen Fresken frei | Spieldauer 1 Minuten | ARD | Stream & Info

 Leben in der Steinzeit | Spieldauer 15 Minuten | SWR | Stream & Info | Direkter Download

 Paläontologie in der Großregion: Riesenskorpione und Co. | Spieldauer 5 Minuten | SR | Stream & Info 

 Denkmalschutz im Unterricht | Spieldauer 3 Minuten | ZDF | Stream & Info 

Dienstag, 9. April 2024

📖 Zeitschrift Bayerische Archäologie - Heft 1.24: Späte Kelten in Bayern (und warum ich das nächste Heft nicht besprechen werde)

Der Zusammenbruch keltischer Kultur

Ich habe noch immer nicht verstanden, warum die Hefte der Reihe "Bayerische Archäologie" bei Amazon in der komischen Rubrik "Broschüre" zu finden sind, anstatt wie z.B. das Sturmgeschütz der Idiotie, auch bekannt als "Der Spiegel", unter "Magazin". 
Egal, im ersten Heft des Jahres 2024 geht es schwerpunktmäßig um "Späte Kelten in Bayern". Zeitlich bewegt man sich dabei ungefähr von 250 bis 15 v. Chr. Florierende Oppida (Städte, Großsiedlungen) und Viereckschanzen (Gehöfte mit viereckiger Umwallung) prägten damals weite Teile der Landschaft, bis die ausgeklügelte keltische Gesellschaftsstruktur mit ihren weit ausgreifenden Handelsnetzwerken in der 2. Hälfte des 1. Jahrhunderts v. Chr. auf dem Gebiet des heutigen Bayern weitestgehend zusammenbrach. Wohl nicht zuletzt wegen Caesars jahrelangem Krieg in Gallien, aber auch wegen den Aktivitäten der germanischen Sueben unter ihrem Herrscher Ariovist; der dann seinerseits von Caesar geschlagen wurde. Einige Jahrzehnte später kamen die Römer auch nach Bayern und haben das Land für rund ein halbes Jahrtausend übernommen - aber auch nur, um schlussendlich doch noch gegen die Germanen den Kürzeren zu ziehen. Dass übrigens die daraufhin in Erscheinung tretenden Bajuwaren so eine Art germanisierte Romanen gewesen sein wollen, wie eine Theorie besagt, ist falsch. Das meinen zumindest Peter Wiesinger und Albrecht Greule in ihrem 2019 veröffentlichten Buch "Bayern und Romanen", welches im vorliegenden Heft beworben wird.

In mehreren Beiträgen werden unter anderem die Oppida Manching, Staffelberg und Kelheim betrachtet. Aber auch das Leben außerhalb der Ballungszentrum wird z.B. anhand der Viereckschanzen ein wenig erläutert. Wobei diese nicht überall anzutreffen waren, so etwa war diese Form landwirtschaftlicher Großbetriebe in den Alpengebieten nicht üblich, wie es in einem gesonderten Beitrag zu diesem Teil des keltischen Bayerns heißt. Aber auch das angrenzende Österreich mit der bedeutende Salzmetropole auf dem Dürnberg wird bei den Betrachtungen miteinbezogen. Interessanterweise verdeutlichen Funde im keltischen Alpenraum die enge Verbindung zur Mittelmeerwelt. So wurde etwa ein Eisenbarren entdeckt, der exakt zwanzig römische Pfund wog und wohl für den Export nach Rom bestimmt war.

Viele recht interessante Rekonstruktionszeichnungen von Bauten und ganzen Siedlungen geben einen schönen Eindruck hinsichtlich des Erscheinungsbilds keltischer Architektur. Eine der dargestellten Großsiedlungen hat mich mit ihrem "mediterranen Flair" ziemlich überrascht. Ein Modell  des Oppidums Manching enthält nämlich längliche Häuser mit flachen Giebeln und vorne angebauten Säulenhallen/Portiken - sofern man den Interpretationen der Archäologen vollständig vertrauen darf (was immer so eine Sache ist ...). Es heißt, die Kelten hätten sich hier einiges von den Mittelmeervölkern abgeschaut. Haben gegebenenfalls Fernhändler diese Ideen mitgebracht? Vielleicht aber auch heimkehrende keltische Söldner, die z.B. im Dienste Alexanders oder Hannibals gestanden hatten?


Ansonsten ...

Abseits des Schwerpunkts enthält das Heft auch einige andere interessante Themen wie den archäologischen Fund eines Skeletts mit eiserner Handprothese. Datiert wird alles mittels C14 in die Zeit zwischen 1450 und 1620 (was beredt über die Genauigkeit dieser Datierungsmethode Auskunft gibt ...). Erstaunlicherweise sollen alleine in Mitteleuropa bisher rund 50 solcher Prothesen aus dem Spätmittelalter und der frühen Neuzeit entdeckt worden sein. Daraus schließe ich, dass sie dazumal relativ häufig anzutreffen gewesen sein dürften.

In der Rubrik "Gefährdete Häuser" geht es um den drohenden Abriss eines Renaissance-Hauses mit romanischem Kellergewölbe in einer ensemblegeschützten Altstadt. Darf man den Schilderungen glauben, dann haben wir es - wie so oft - mit einer Mischung aus Vernachlässigung durch den Eigentümer und dem hirnlosen Agieren von ignoranten Politikern zu tun, für die die Bezeichnung "Vollpfosten" ein inadäquater Hilfsausdruck wäre. Aber so ist das eben mit dem bayerischen "Denkmalschutz": Finder von archäologischen Objekten enteignet man aufgrund eines angeblich öffentlichen Interesses, während man den abrissbegeisterten Eigentümern von denkmalgeschützten Häusern quasi die Räuberleiter macht. 

Nicht uninteressant ist außerdem der Bericht über den Bau sowie den Praxistest von zwei rekonstruierten römischen Patrouillenbooten, deren Vorbilder auf der Zeitachse relativ weit auseinander lagen (Typ Oberstimm und Typ Lusoria). Ort des Tests unter Rudern und Segeln waren die Donau, der Altmühlsee am Rätischen Limes und Belgien. Offenbar dürften die Originale auf keine allzu lange Haltbarkeit ausgelegt gewesen sein, wie sich bei einem der Nachbauten unter anderem anhand eines üblen Pilzbefalls zeigte. 
Mir sind in dem Beitrag die Bilder von den Booten übrigens zu klein geraten. Die müssten wesentlich größer sein. Getrost hätte man stattdessen auf den am Artikelende befindlichen aufgeblasenen Anhang mit Literaturangaben verzichten können. Oder, noch besser, man hätte die an eine Schülerzeitung oder an ein Gemeindeblatt erinnernden Erlebnisberichte der "Gesellschaft für Archäologie in Bayern" weggelassen sollen, die immer in der Heftmitte abgedruckt werden. Das banale Gequassel interessiert vermutlich so gut wie keinen Leser. Warum betreibt dieser Verein nicht einfach ein Blog, in dem er dann exklusiv seine paar Mitglieder langweilen kann?


Abschließende Hinweise

1. Die Hefte kosten ab der aktuellen Ausgabe übrigens € 9,90 statt wie bisher € 9,20. Wegen den höheren Produktionskosten, wie es heißt. Stichwort "Inflation", die wiederum bekanntlich von den deutlich gestiegenen Energiepreisen angefeuert wird. 
Der "Dank" der Leserschaft für die teurer gewordenen Hefte geht deshalb logischerweise nicht an den Verlag Friedrich Pustet, sondern an die dafür hauptverantwortlichen Politdeppen. Und vergessen wollen wir auch nicht all jene Blödmänner und Blödfrauen, die diese Mischpoke immer und immer wieder wählen.

2. Die nächste, irgendwann im Mai erscheinende Ausgabe von "Bayerische Archäologie" hat das Thema "Die NS-Zeit im Fokus der Archäologie". Danke, ich passe; will heißen, die Rezension des Hefts erspare ich mir vermutlich. Nicht primär weil der Schwerpunkt thematisch wenig zum Blog passt (ich habe ja auch die PLW-Erklärvideos verlinkt), sondern vielmehr weil nach meiner festen Überzeugung die sogenannte "Archäologie der Moderne" weitestgehend eine Verschwendung von Mitteln der öffentlichen Hand darstellt. Hier werden Zeitabschnitte archäologisch beackert, über die wir bereits aufgrund einer Vielzahl von erhaltenen Objekten, Augenzeugenberichten, Foto- und Filmaufnahmen sowie schriftlichen Quellen sehr gut bescheid wissen. Das steht im krassen Gegensatz zu älteren Phasen der Menschheitsgeschichte - wie etwa der Bronzezeit - die wesentlich schlechter erforscht sind. 
Die Archäologie ist kein Selbstzweck, sondern eine Hilfswissenschaft der Geschichtsforschung. Entsprechend sollten sich Archäologen auch verhalten und ihre äußerst knappen Ressourcen treffsicher einsetzen. Freilich, mit einer bronzezeitlichen Wallanlage lässt sich als narzisstischer Ausgräber nicht so kommod die eigene Tugend signalisieren wie mit einem mörderischen Konzentrationslager; oder wenigstens einem Kriegsgefangenenlager. Darüber hinaus funktioniert auch das politische Instrumentalisieren der Vor- und Frühgeschichte eher weniger gut. Einige ForscherInnen versuchen es natürlich trotzdem, siehe etwa die Ideologie-Irrwische von der sogenannten "Feministischen Archäologie". Was die seit einigen Jahren so alles an Seemannsgarn zusammenspinnen, reicht aus, um einen Matrosenanzug zu nähen, in den sogar die Ko-Parteichefin einer gewissen deutschen Partei passen würde.

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Weiterführende Informationen: